Auslandsbericht Lund

Vorbereitung

Das Sommersemester in Lund geht offiziell von Anfang September bis Mitte Januar und das Wintersemester von Mitte Januar bis Anfang Juni – entsprechend heißen sie dann natürlich Herbst- und Frühlingssemester. Wegen dieses Unterschieds zu den Zeiträumen in Deutschland empfiehlt es sich entweder für das Herbstsemester nach Lund zu gehen (wie ich) oder gleich ein ganzes Jahr zu bleiben. Falls ihr noch nicht wisst, wie lange ihr bleiben wollt: Ich habe bei vielen Erasmus-Studenten mitbekommen, dass eine nachträgliche Verlängerung des Auslandsaufenthaltes auf ein ganzes Jahr kein Problem darstellt, allerdings sollte es noch einfacher sein, die Dauer des Aufenthaltes gegebenenfalls auf ein Semester zu verkürzen. Das hat allerdings niemand gemacht. Das Herbstsemester ist abhängig von den gewählten Kursen für viele bereits vor Weihnachten zu Ende. Solltet ihr wie ich das Pech haben noch eine vereinzelte Prüfung im Januar zu haben und wollt nicht extra deswegen nach dem Weihnachtsfest wieder nach Lund fahren, lohnt es sich auf jeden Fall den Lehrenden auf euer Problem anzusprechen.
Die Lunds Universitet unterstützt Austauschstudenten bestens bei Organisation und Ankunft. Es ist nützlich schon im Vorweg auf der internationalen Homepage zu schmökern. Die Bewerbung bei der Gasthochschule nach Zusage des Erasmus-Platzes barg keine Probleme und schien eher Formsache zu sein. Da ich in meiner Bewerbung entsprechende Kreuzchen gesetzt hatte, wurde ich sowohl einer Mentorgruppe als auch einem Einführungskurs Schwedisch zugeteilt. Die Mentoren waren großenteils selbst internationale Studenten und sehr engagiert. Sie gaben schon Wochen vor der Anreise in einer Facebook-Gruppe Antworten auf alle möglichen Fragen und sorgten auch während des ganzen Semesters, aber vor allem in den ersten Wochen, mit vielen Treffen und Parties dafür, dass sich niemand überfordert oder gelangweilt fühlte.
Die gesamte Anreise gestaltete sich für mich sehr unkompliziert. Ich fuhr mit dem Nachtzug über Kopenhagen, was sowohl angenehm (ich habe 6 Stunden durchgeschlafen) als auch erschwinglich (ca. 60-80 EUR bei rechtzeitiger Buchung) war. Ich kam am offiziellen arrival day (20.8.13) an und wurde auch gleich mit vielen anderen vom Bahnhof zu einem der Unigebäude gefahren um dort einzuchecken. Dort konnten wir unser Gepäck abgeben, während wir beispielsweise unsere Ankunft meldeten, günstige Bettwäsche kaufen konnten und ein welcome package erhielten. Dieses enthielt u.a. Stadtpläne, eine Sim-Karte und eine Trinkflasche mit der Aufforderung das gute schwedische Leitungswasser zu trinken und Geld zu sparen. Es wurden auch Tickets für kommende von der Uni organisierte Veranstaltungen angeboten (manche umsonst, manche für einen angemessenen Preis), wie ein Strandausflug, eine Fahrt zu Ikea oder Stadtführungen. In den zwei Wochen vor Vorlesungsbeginn wurde eigentlich jeden Tag etwas geboten und auch werden des Semesters wurden wir regelmäßig in einem Newsletter der Uni über interessante Veranstaltungen informiert. Danach wurden wir sogar alle zu unseren neuen Behausungen gefahren.

Unterkunft

Lund1Wie in jeder beliebten Studentenstadt sind die Wohnungen in Lund zu Semesterbeginn knapp. Die Universität bietet einen Housing Service, den auch ich genutzt habe. Es lohnt sich auch, an der Housing Lottery von AF Bostäder teilzunehmen und privat zu suchen. Bei der Bewerbung um einen Wohnplatz kann man zwar Wünsche angeben, jedoch stimmte die Wohnung, die uns letztlich angeboten wurde, bei fast niemanden mit diesen überein. Wir mussten dann zu- oder absagen und konnten weder auf ein zweites Angebot setzten noch Bilder oder Größenangaben zur Wohnung erwarten. Meine Einzelapartment gehörte mit ca. 500 Euro im Monat zur oberen Preisklasse. Nach Ankunft stellte sich allerdings Erleichterung ein. Das Zimmer war sehr sauber, geräumig, gut isoliert und gut ausgestattet. Mein Vormieter hatte mir sogar noch zusätzlich viele nützliche Gegenstände da gelassen. Die Internetverbindung war sofort einsatzbereit, schnell und unkompliziert, aber kein WLAN. Auch alle anderen Wohnheime der Universität waren durchaus passabel, wobei der Preis im Allgemeinen sehr aussagekräftig war. In günstigen Sparta beispielsweise lebte es sich schon nicht mehr ganz so ruhig oder ansehnlich, trotzdem vollkommen in Ordnung.
Wirklich abgelegen kann man in Lund eigentlich nicht wohnen, man ist von fast überall in höchstens 10 Minuten mit dem Rad im Stadtkern. Reparaturen und Ähnliches wurde auf Anfrage sofort durchgeführt.
Hier zumindest noch ein Bild von meinem Einzelapartment im Nordanväg 3, rechts ist das Bad mit wunderbarer Dusche, dahinter die Küchenzeile mit Esstisch und solider Grundausstattung.

Studium an der Gasthochschule

Das Semester in Lund teilt sich für Mathematikstudenten in zwei Hälften. Manche Kurse gehen bis Ende Oktober, manche beginnen erst Anfang November und manche gehen über beide Hälften, pro Kurs und Semesterhälfte gibt es meist 7.5 credits. Es lässt sich sehr flexibel aus dem Kursangebot wählen. Alle Kurse wurden auf Englisch angeboten. Es waren auch nur etwa die Hälfte meiner Mitstudenten tatsächlich aus Schweden, der Rest kam aus allen Teilen der Welt, was eine tolle internationale Atmosphäre und Zusammenarbeit zu bedeuten hatte.
Ich hörte in Lund Mathekurse auf dem Niveau am Bachelor-Master-Übergang. Diese waren im Allgemeinen wesentlich freier gehalten als man es aus Deutschland gewohnt ist. Für den ausführlichen Kurs über analytische Funktionen beispielsweise fanden wir den Stoff in einem Lehrbuch von Stein, während der Professor uns in der Vorlesung eher darlegte, was denn nun das Wesentliche an der Sache sei, wie man auf solche Ideen komme oder warum ausgerechnet dieser Stoff von Bedeutung ist. Alles war stärker auf Selbststudium ausgelegt. Dementsprechend verbrachte man auch deutlich weniger Stunden in der Woche im Seminarraum. In den meisten Kursen waren keine Übungsaufgaben abzugeben, trotzdem wurde Übungsmaterial benannt und auch teilweise besprochen. Geprüft wurde man sowohl mündlich als auch schriftlich, wobei es bei der schriftlichen Prüfung so etwas wie Zeitmangel nicht gibt (Nach 5 Stunden sollte man dann allerdings doch abgeben).
Die Bibliotheken, insbesondere die mathematische, sind äußerst gut ausgestattet, haben aber verglichen mit meiner Heimatuniversität recht kurze Öffnungszeiten. Man sollte also am besten nochmal schnell online die Öffnungszeiten nachsehen, bevor man sich auf den Weg macht.

Alltag und Freizeit

In jedem Fall sollte man sich in Lund ein Fahrrad kaufen. Ich benutzte meines täglich und kenne keinen, der sich nicht früher oder später eines zugelegt hätte. Gebraucht kaufen kann man dieses etwa bei Lundaböcker, einer der Versteigerungen der Polizei oder man nutzt einen der Hinweise hierzu aus dem Studienführer, den jeder am arrival day erhält. Man sollte im Sommer allerdings mit einem Preis von ca. 800 Kronen rechnen. Sollte man sein Rad vor der Abreise nicht rechtzeitig wieder los bekommen, verkauft es Lundaböcker für euch im nächsten Semester gegen eine Provision von 200 Kronen bei Verkauf für euch. Das Meer ist nur 10km mit Rad oder Bus entfernt (z.B. das Städtchen Lomma), was wir auch gerne ausnutzten. Es gibt zwar keine Straßenbahn, aber Busse und Bahnen fahren überall und häufig. Man sollte sich eine sog. Jojo-Card zulegen, die man an Bahnhof und verschiedenen Kiosks kaufen bzw. mit Guthaben füllen kann, um dann seine Tickets überall bargeldlos und mit 20% Rabatt mit dieser zu bezahlen.
In Schweden ist in fast allen Bereichen mit dem ca. Eineinviertelfachen des in Deutschland üblichen Preises zu rechnen. Alkohol kostet etwa das Doppelte, ihn gibt es (mit Ausnahme von Light-Bier) nur im staatlichen Systembolaget und in Gaststätten. Der Lebensstandard ist dafür auch etwas höher als in Deutschland.
Jeder wird euch bei eurer Ankunft dazu raten einer der 13 nations beizutreten (wie das auch fast alle tun), was sich – auch wenn an dieser Stelle gern übertrieben wird – aus vielen Gründen lohnt. Es ist aber kaum von Bedeutung, welche nation man sich aussucht, da man als Mitglied einer der nations zu allen Zutritt hat. Mindestens eine von ihnen bietet jeden Tag Brunch, Mittag- bzw. Abendessen zu einem deutlich geringeren Preis als andernorts, was v.a. wegen der nicht vorhandenen Mensa wichtig ist. Auch die Preise in deren Clubs und Bars sind nur etwa halb so hoch wie im restlichen Nachtleben. Am besten sind allerdings immer noch die vielen privaten Parties der Erasmus-Gemeinschaft. Die nations haben auch ein großes Sportangebot. Ich spielte dort Handball, das Training war aber eher auf Anfängerniveau. Natürlich gibt es auch etliche Vereine fernab der Universität.
Drei der 27 Nationalparks Schwedens befinden sich ganz in der Nähe, von denen ich vor allem Söderåsen empfehlen kann. Auch die Städte Malmö und Kopenhagen sind mit ihrer Nähe und Schönheit natürlich ein Muss. Man findet aber auch immer jemanden, der zu einer Reise nach Norden bereit ist. Das Klima so tief im Süden Schwedens ist nicht wesentlich anders als in Deutschland. Allerdings kann es sehr windig werden.
Lund2

Fazit

An Lund begeistert vor allem die Offenheit und Internationalität. Es ist eine tolles Gefühl mit Studenten aus aller Welt (Frankreich, USA, Brasilien, Kanada, Taiwan, Mexiko,…) zu arbeiten und zu feiern. Da aber auch sehr viele Deutsche nach Lund gehen, sollte man Acht geben, nicht aus Bequemlichkeit hauptsächlich mit Gleichsprachigen Kontakt zu halten. Wer geborene Schweden näher kennen lernen will, muss sich auch darum bemühen.
Der erfrischend freie Unterrichtsstil ist auch in jedem Fall eine wertvolle Erfahrung. Besonders angenehm empfand ich, dass keine steifen Hierarchien sichtbar sind. Sogar die Professoren werden beim Vornamen angesprochen.