Auslandsbericht Bergen

Erfahrungsbericht zum ERASMUS-Studium in Bergen, Norwegen

Von August bis Dezember, 2014, habe ich mein 7. Semester an der Universität in Bergen verbracht.
Der Aufenthalt dort hat mir sehr viel Freude bereitet und ich kann die Uni Bergen nur weiter
empfehlen. Hier nun meine Erfahrungen und Tipps ums es noch besser zu machen:

Planung und Ankunft

Da das „Winter“-Semester in Norwegen bereits Anfang August beginnt, ist es ratsam die eigenen
Klausuren so früh wie möglich zu legen um wenigstens noch ein bisschen Zeit zum Packen zu haben.

Das geht natürlich besonders gut, wenn man nur mündliche Prüfungen und kooperierende
Professoren hat. Ich bin gerade mal einen Tag vor Beginn der Einführungswoche in Bergen gelandet, rate aber dringend bis zu einer Woche eher da zu sein, also eher Ende Juli.
Die meisten Flüge nach Bergen gehen über Oslo oder Amsterdam. Wenn du die Wahl hast, wähle
Amsterdam. Wenn man über Oslo fliegt, muss man sein Gepäck nämlich einsammeln und wieder
einchecken, was echt nervig ist. Außerdem solltest du noch keinen Rückflug buchen.

Das Semester geht zwar bis knapp vor Weihnachten, aber die mündlichen Prüfungen sind meist bis Anfang November geschafft und im Dezember kommt nur noch schriftliches. Die Chancen stehen also gut, dass du Mitte Dezember schon wieder Zuhause bist. Wenn du mit den norwegischen Airlines fliegst, solltest du auch unbedingt auf der Seite nach „Jugendangeboten“ schauen. Die gibt es manchmal für Menschen unter 25 und entsprechen dem günstigsten Frühbucherpreis. Der Vorteil ist jedoch, dass es dann den günstigsten Preis für dich noch gibt, obwohl er für so richtig Erwachsene schon weg ist.

Unterbringung

Als Erasmus-Student kommt man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in das Studentenwohnheim
Fantoft. Sieht erst mal schrecklich aus und das auch noch zu recht teurer Miete, lässt sich aber
durchaus für ein paar Monate aushalten. Das Problem dabei ist nur, dass du wirklich nur ein Bett mit Matratze, einen Schreibtisch mit Stuhl und einen offenen Kleiderschrank im Gang hast.


Wenn früh da bist, kommst du mit großer Wahrscheinlichkeit in eine der 8er-Flur-WGs. Dort hast du
dein eigenes Zimmer mit Bad, teilst dir deine Küche aber mit acht anderen auf demselben Flur. Die
Küche ist dann meist noch von vorherigen Bewohnern ein wenig eingerichtet und du musst nicht
alles neu kaufen. Der Nachteil sind die anderen sieben Menschen, die durchaus ganz
unterschiedliche Partybedürfnisse (aka. Lautstärkebedürfnisse) haben und die Küche gerne mal zum ausgelassenen Beisammen sein nutzen. Wenn man aber Probleme hat Anschluss zu finden und Alleine-sein doof findet, sind die 8er bestimmt auch zu empfehlen.

Wenn du etwas später ankommst oder es dir wünschst (nicht getestet, aber versuchen kannst du es ja mal), kommst du in einen 2er-WG oder sogar in ein Einzelzimmer mit Bad und Mini-Kochzeile. Der Nachteil ist, dass die Küchen hier meist komplett leer sind, wenn nicht schon jemand in der WG
wohnt. Dafür muss man sich nur mit einer Person rumschlagen, wenn es schief geht. Oder man sucht sich vielleicht vorher schon jemanden zum zusammen ziehen und lässt es SiB (Bergener
Studentenwerk) wissen. Preislich macht es keinen oder nur einen sehr geringen Unterschied, welche Zimmerform du bekommst. Das liegt alles bei ca. 3100 kr.

Auf jeden Fall solltest du beim Schlüsselabholen nach einem Zimmer mit gerader Nummer
fragen!!! Das hat einen ganz einfachen Grund: In Norwegen wird es sowieso sehr dunkel und die
Lampen in den Zimmern reißen auch nichts. Da will man dann nicht noch schlechte Aussicht und zur „Schattenseite“ sein Fenster haben.

Nun natürlich die Frage: Wo bekomme ich meine Küchenutensilien, Oberbetten etc. her? Genau
deshalb solltest du möglichst früh da sein. Zum einen verkaufen alle möglichen Leute ihre Sachen,
wenn sie ausziehen, und zum anderen lassen sie einfach so alles, was nicht rechtzeitig weg kommt,
zurück. Was zu verkaufen ist sieht man auf den Zetteln die rund um Fantoft überall hängen oder in
diversen Facebook-Gruppen (Fantoft Little Market, Fantoft Irgendwas…). Dann gibt es noch die
Tenants Union, die alles, was von anderen zurückgelassen wurde, sammelt und dann wieder abgibt.
Dafür muss man aber halt rechtzeitig da sein. Für alles was sonst noch fehlt gibt es dann den
kostenlosen Ikea-Shuttle-Bus der in den ersten paar Wochen regelmäßig zwischen Fantoft und Ikea
verkehrt (siehe Ikea Homepage oder Fahrplan vor der Sporthalle).

Kleidung

Passende Kleidung ist ganz wichtig für die regenreichste Stadt Europas. Was du auf jeden Fall
brauchst ist eine wirklich gute Regenjacke – oder noch besser einen Regenmantel – mit Kapuze. Viele haben sich dann noch die passenden Gummistiefel gekauft, aber ein gutes Paar Lederschuhe, die ordentlich eingesprüht/gewachst sind, tun es auch, wenn du nicht durch jede Pfütze laufen willst.

Wanderschuhe sind auch ein absolutes Muss in Bergen, selbst wenn du vorher noch nie wandern
warst. Die Berge um Bergen rum sind einfach wunderschön und, nachdem man sich hochgekämpft
hat, ist die Aussicht einfach fantastisch. Solange das Wetter gut ist, gab es sogar einen Norweger der jeden Sonntag Wandertouren organisiert hat.

Mathestudium

Um deinen Aufenthalt so schön wie möglich zu machen und auch mit Norwegern in Kontakt zu
kommen, solltest du auf jeden Fall an den Einführungsveranstaltungen für die Erasmus-Studenten
und Erstis teilnehmen. Der Fachschaftsrat Mathematik organisiert das ganze Semester über
wöchentliche Spieleabende mit offener Bar (deutlich günstiger als richtig weggehen!) und noch
weitere tolle Veranstaltungen. Die Studenten höherer Semester sind dabei auch immer sehr herzlich
und einladend, sodass man sich sehr willkommen fühlt.

Ich hab im Wintersemester die drei Veranstaltungen Vector- & Tensoranalysis, Partial Differential
Equations und Stochastic Processes belegt. Die einzige, die ich davon bedenkenlos weiterempfehlen kann ist PDE bei dem Chinesen Prof. Xue-Cheng Tai. Seine Vorlesung ist sehr gut strukturiert und er geht sehr gut auf die Studenten und all ihre Fragen ein. Es gab auch Übungsserien, die abgegeben werden mussten. Diese waren durchaus anspruchsvoll, aber es war ihm auch Recht, wenn wir die Lösungen aus dem Internet hatten. Wenn man diese gut nachvollzog, anstatt sie nur abzuschreiben, hatte man tatsächlich schon wieder gut was gelernt und konnte der Vorlesung folgen. Meine anderen Erasmus-Kommilitonen mit weniger Semestern (<6 Sem.) empfanden die Vorlesung jedoch als sehr anspruchsvoll und hatten mitunter ein
wenig Schwierigkeiten mit seinem Englisch. Seine etwas andere Aussprache fand ich eher lustig (wig solution = weak solution) und als angenehme Herausforderung, wenn es darum ging herauszufinden, welchen europäischen Mathematikernamen er gerade meint zu sagen. Parallel hat er auch noch Finit Element Decomposition gelesen, die ich irgendwie dummerweise doch nicht gemacht habe. Die soll auch sehr anspruchsvoll und gut gewesen sein. Seine mündliche Prüfung war wie die Vorlesung auch recht anspruchsvoll, aber absolut fair und auch meine Kommilitoninnen sind mit guten Ergebnissen rausgekommen.

Stochastische Prozesse war eigentlich eine gute Vorlesung, aber Prof. Hans Karlsen ist nicht so der
große Didaktiker. Er nuschelt, hat eine unglaubliche Sauklaue, steht die meiste Zeit mit dem Rücken
zum Publikum und bekommt so nicht mal mit, wenn man was fragen möchte, und spricht leider nicht während er schreibt. Aber es wurde besser während des Semesters. 😉 Die Übungen zu der Vorlesung waren hervorragend durchgeführt von Hannu Sakari Lyyjynen und haben dann doch einiges wieder wett gemacht. Außerdem war das Buch zur Veranstaltung, an das er sich auch gehalten hat, sehr gut geschrieben und online über die Bibliothek zu beziehen. Insgesamt würde ich nicht von der Veranstaltung abraten, zumal es ganz lustig ist mal eine norwegische, schriftliche Prüfung mitzuerleben (= ein Raum, ca. 5 verschiedene Prüfungen, alte Damen/Herren, die einen auf die Toilette begleiten, dreifaches Durchschlagpapier und gut zwei Stunden mehr Zeit, als in Deutschland angesetzt werden würden).

Wovon ich aber ausdrücklich abrate ist eine Vorlesung von Prof. Aleksandr Malyshev zu hören. Ich
werde es nie wieder für selbstverständlich halten, dass der Dozent Ahnung vom Thema hat. Irgendwie wurde ihm diese Vorlesung zugeschustert, aber von norwegischen Kommilitonen habe ich gehört, dass seine vorherigen Vorlesungen auch eher mittelprächtig waren. Er schreibt sehr wenig, wirres Zeug an die Tafel, ein roter Faden und Erklärungen fehlen. Wenn man wenig Interesse an gutem Wissenserwerb hat, dann kann man die Vorlesung besuchen. Oder man nutzt seine Zeit halt besser und sucht sich eine gute Vorlesung.

Insgesamt ist noch zu sagen, dass die Mathematik in Bergen angewandter ausgerichtet ist. So gibt es Mathematik-Module, die in Jena nur bei den Materialwissenschaftlern oder Physikern zu finden
wäre, z.B. Hydrodynamics und Flow in Porous Media. Es gibt aber auch für die reine Mathematik ein
gutes, großes Angebot.

Essen, Wohnen und Geld überhaupt…

Was jetzt kommt bezieht sich jetzt auf die Zeit als ich da war, sprich: 8kr für 1€. Ölpreisbedingt war
der Kurs am Ende meines Aufenthalts besser (9kr für 1€). Wie schon oben erwähnt kostet das Zimmer in Bergen ca. 3100kr (400€). Dazu kommt dann noch die Karte für den öffentlichen Nahverkehr Skyss (gesprochen: Tschüss), die für Studenten ca. 400kr (50€) kostet. Und wenn man jetzt noch weiß, dass eine stinknormale Gurke im günstigen Supermarkt nie unter 1€ kostet, dann sieht man, dass es auf jeden Fall knapp wird mit dem Geld. Supermärkte die man auf jeden Fall meiden sollte sind Bunpris und Meny. Die billigeren sind Rema1000, Rimi oder Kiwi. Günstig ist auch noch der Laden Global Food gegenüber vom Busbahnhof, in dem es viele asiatische Lebensmittel gibt. Dort bekommt man auch Gemüse recht günstig. Wer Reis mag, kann sich dort auch zu Beginn des Semesters einen großen, günstigen Beutel kaufen. Um günstig durch den Tag zu kommen, ist es auf jeden Fall wichtig sich Essen für die Uni vorzukochen oder ein Pausenbrot zu schmieren. Die Cafeteria ist nämlich auch sehr teuer.